Der Wanderverein Burgstädt hatte in den letzten Wochen mehrfach für den 25. Juni 2022 zum 10. Burgstädter Fichtelbergmarsch seit 2004 eingeladen und 16 Wanderer, acht Mitglieder sowie die gleiche Anzahl Gäste, finden sich noch vor Sonnenaufgang am Bahnhof in Burgstädt dazu ein. Ziel ist, wie der Name schon verrät, der mit 1.215 m höchste Punkt des Freistaates Sachsen wie auch der ehemaligen „DDR“. Allerdings wird immer an einem anderen Ort gestartet. Für die Jubiläumstour wurde schon vor geraumer Zeit zum zweiten Mal ein Ausgangspunkt in Nordböhmen gewählt und somit verlassen wir nun schon nach Sonnenaufgang in Kadaň (Kaaden), im romantischen und geschichtsträchtigen Egertal gelegen, unseren Sonderbus der Firma Dähne aus Lichtenau. Damit ist es aber auch schon wieder vorbei mit der Gemütlichkeit oder vielleicht noch einem kleinen Nickerchen im bequemen Bussitz, denn reichlich 52 km und knapp 1.800 Höhenmeter liegen jetzt vor uns. Hoffentlich hat niemand sein gültiges Personaldokument vergessen, da das tschechische Staatsgebiet erst kurz vorm Schluss wieder verlassen wird? 

Start in Kadaň

 

Als erstes Etappenziel steuern wir Klášterec nad Ohří (Klösterle an der Eger), eigentlich nur wenige Kilometer flussaufwärts gelegen, an. Aber ein Abstecher in das geologisch hochinteressante Doupovské hory (Duppauer Gebirge) erweist sich als der für uns unerwartete Auftakt und so steigen wir steil dem 593 m hohen Úhošť (Burberg), an der nordöstlichen Flanke gelegen, entgegen. Wir befinden uns in einem Nationalen Naturreservat vulkanischen Ursprungs mit Steppenvegetation und sind von der Landschaft sehr begeistert. Nur das Wanderwetter, nass, stark bewölkt und windig, will noch nicht richtig mitspielen. So können wir das Obere Erzgebirge, wo wir eigentlich hinwollen, am Horizont nur erahnen. Allerdings ist dieser kleine Mittelgebirgsstock auch nur bedingt begehbar, da er nach Krieg und Vertreibung seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts bis heute als Truppenübungsgelände genutzt wird. Unseren Startort Kaaden in unmittelbarer Nähe haben wir noch immer fest im Blick, also sind wir gefühlt noch nicht allzu weit gekommen. Trotzdem ist aber schon ein knappes Viertel der Wegstrecke absolviert und auch die Frühstückspause im „Imbiss am Sonderbus“ kommt sehr gelegen. Diese wird wie immer liebevoll und überaus schmackhaft von Elke Koitzsch und Ruth Gruner vorbereitet. Danach schlendern wir, letztmalig entspannten Schrittes, durch die historische Altstadt von Klösterle, um anschließend endlich zum Erzgebirgskamm aufsteigen zu können. Den erreichen wir nach 600 ununterbrochenen Höhenmetern in Měděnec (Kupferberg). Kurz zuvor passieren wir das regionale Skigebiet Alšovka im ehemaligen Ortsteil Venkov (Venkau) und die kleine Felsgruppe der Kupferberger Sphinx. Über die Kaadener Straße gelangen wir zu dem idyllischen Platz für unsere Mittagspause, welcher in einem kleinen Park gelegen ist.

Aufstieg auf den Vrch Mědník

 

Es verbleibt aber nicht allzu viel Zeit für Speis und Trank, denn der nördlich angrenzende Vrch Mědník (Kupferhübel) in einem verlassenen Bergbaugebiet erwartet uns. Die 1674 errichtete Kapelle „Zur Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria“ auf dem 910 m hohen Gipfel gilt als das weithin sichtbare Wahrzeichen. Wir genießen die Aussicht in alle vier Himmelsrichtungen in vollen Zügen. Das Wetter hat sich mittlerweile komplett gedreht und sonniges Sommerwetter, manchmal leicht bewölkt ohne übermäßige Hitze, wird zu unserer idealen Wanderbegleitung. 

In Háj

 

Schnellen Schrittes und immer leicht bergab auf gut ausgebauten Forststraßen starten wir in die zweite Streckenhälfte zunächst nach Kovářská (Schmiedeberg). Ohne große Verweildauer verlassen wir den Ort in südlicher Richtung, wohl wissend, dass es nun wieder für längere Zeit nur bergauf geht. Die dritte Etappe endet mit der Kaffeepause kurz vor Háj (Stolzenhain). Dieser langgezogene Ort ist durch das größte und modernste Skigebiet der Tschechischen Republik (laut eigener Werbebotschaft auf der Homepage), dem gesamten Areal um den Klínovec (Keilberg), stark touristisch geprägt. Die harte Asphaltstraße können wir gleich hinter dem Ort an der Talstation „Dámská“ endlich wieder verlassen. Auf gleichnamiger und relativ flacher Piste führt uns der Weiterweg auf das 1.244 m hohe Gipfelplateau, welches leider durch die zunehmend verfallende historische Bebauung immer mehr verschandelt wird. Die hier anstehende vierte und letzte Rast wird traditionell Bierpause genannt und somit kann man sich ein „Freiberger“ Wanderbier schmecken lassen.

 

Auf dem Klínovec

 

Zum Glück, nach einem Berg wie auch sonst anders topografisch möglich, führt der Weiterweg immer talwärts, nämlich nach Boží Dar (Gottesgab), zunächst im Wald über Wurzeln und danach auf der Zubringerpiste an den Ortsrand. Der Ort selbst gilt mit 1.028 m als die höchstgelegenste Stadt Tschechiens sowie zugleich Mitteleuropas und ist außerdem einer der wichtigsten sowie populärsten touristischen Magneten im gesamten Erzgebirge. Wir laufen durch das Zentrum in westlicher Richtung zum Ortsausgang, wo auch der alte Friedhof liegt und so kann noch eine letzte Verweilpause an der Grabstätte von Anton Günther, dem deutschen Volksdichter und Sänger des Erzgebirges, eingelegt werden. Im Deutschen Gehau bei Tellerhäuser liegt der offizielle „grüne“ Grenzübergang und damit ist die sächsische Bergheimat wieder erreicht. Auf im Winter als Loipen genutzten Waldwegen erreichen wir die Bächelhütte und somit auch den allseits bekannten, zertifizierten Kammweg. Die einzelnen Streckenmarkierungen mit noch rund drei bis vier Kilometern bis zum Fichtelberg machen Hoffnung und so kommt der finale Aufstieg in greifbare Nähe. Am Skistadion und der Sachsenbaude vorbei führt uns dieser über die Wellenschaukel gleichmäßig ansteigend zum Ziel. Zuvor spreche ich am dortigen Fichtelberg-Parkplatz noch zwei glückliche Wandermädels mit Urkunden in der Hand an. So erfahre ich, dass am gleichen Tag eine professionell, also nicht ehrenamtlich, organisierte Wanderung vom Fichtelberg zum Auersberg, und zurück mit dem Bus, stattgefunden hat. Im kurzen Gespräch kann ich erfreut feststellen, dass unsere Startgebühr für genau die gleiche Streckenlänge wieder einmal ein Schnäppchen ist! 

Auf dem Fichtelberg

 

Sonnenuntergang am Fichtelberg

 

Nach und nach erreichen wir alle mehr oder weniger geschafft unser heutiges und lang ersehntes Wanderziel, den Fichtelberg im Sonnenuntergang. Nach mehr als 14 Stunden auf den Beinen können wir unsere Tour an der Friedensglocke mit dem Blick hinüber zum genau 3,4 km entfernten Keilberg nochmals genießen. Noch beeindruckender ist aber der Anblick der Rauchfahnen, welche aus dem Egertal aufsteigen, und die damit verbundene Vorstellung, dort unten und so weit weg sind wir heute Morgen gestartet! Nachdem jeder irgendwie seine Grundordnung hergestellt hat, kann unser Bus auch zügig losfahren. Bei der späten Rückkehr nach Burgstädt kurz vor der Geisterstunde sind die Strapazen schon fast wieder vergessen und das tiefe Glücksgefühl über die intensiv erlebte Wandertour sowie der Stolz auf die eigene Leistung bestimmen den Nachhauseweg! 

Der Muskelkater oder auch andere Schmerzen werden recht bald wieder vergehen, was aber für immer bleibt, ist die freudige Erinnerung an einen großartigen Tag. Dieser konnte allerdings nur durch die exzellente Organisation unseres Vereinsvorsitzenden Felix Pechmann ermöglicht werden. Danke! 

 

Uwe Trenkmann